Pilgerorte, Heilige

Hier finden Sie Gebete - passend zu den Pilgerorten und den Heiligen, die dort gelebt und gewirkt haben.

Hier eine Übersicht:
Hl. Margareta-Maria Alacocque (Paray-le-Monial)
Hl. Bernadette (Nevers, Lourdes)
Hl. Thérèse und ihre Eltern (Lisieux)
Hl. Pfarrer von Ars

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Lieber heiliger Franz von Sales

Eine Lebensbeschreibung in Gebetsform

Lieber heiliger Franz von Sales,

du wirst von der Kirche 'doctor amoris' genannt, ‚Lehrmeister der Liebe'. Es war dein Herzensanliegen, die Menschen die Liebe Gottes entdecken zu lassen, um sie so selber zu immer grösseren Liebenden und damit glaubhaften, gewinnenden Zeugen der Liebe Gottes zu machen. Dein ganzes Leben, und im Besonderen deine grosse schriftstellerische Begabung, hast du ganz in den Dienst dieser Aufgabe gestellt. Da Gott die Liebe ist, hat er auch alles aus Liebe und für die Liebe geschaffen, vor allem uns Menschen, die wir sein Abbild sind. „Alles ruft an das Ohr unseres Herzens: Liebe! Liebe! Liebe!" schreibst du. Nicht weil Gott uns brauchte, habe er uns geschaffen, sondern einzig, um an uns seine Güte zu erweisen. Wie wunderbar! Wie alle Heiligen, warst auch du deiner Zeit weit voraus. Du hattest erkannt, was damals noch keine Selbstverständlichkeit war: dass nämlich alle Menschen, gleich welchen Standes, zur Heiligkeit berufen sind, und zwar jeder auf die ihm angemessene Weise. Das Leben eines Christen in Ehe, Beruf und Gesellschaft durfte nicht mehr einfach als eine verkürzte Kleinausgabe des Ordenslebens angesehen werden, denn die Heiligkeit ist ja nichts anderes als die gelebte Liebe. Diese aber nimmt unzählige Formen an und bleibt doch immer die eine Liebe. Die ganze Kirche sahst du auf die Liebe gegründet. Daher sollte auch alles in ihr „im Hinblick auf die Liebe, in Liebe, für die Liebe und aus Liebe" geschehen. Die Liebe sollte wie Gold aus allem, was sie sagt und tut, hervorleuchten.

Darum wünschtest du auch für die religiöse Gemeinschaft, die du mit der hl. Johanna Franziska von Chantal zu gründen dich gerufen fühltest, ursprünglich nur ein Gelübde: das Gelübde der LIEBE, da die Liebe ALLES in sich schliesst, ja, wie der hl. Paulus sagt, nur die Liebe zählt und ohne die Liebe alles nichts ist (vgl. 1 Kor 13).

Doch dieser Gedanke des einen Gelübdes der Liebe war in deiner Zeit zu neu, zu kühn, und du hast dich in Demut und Gehorsam in die hergebrachten Formen klösterlichen Lebens gefügt. Du giltst als der Heilige der Sanftmut und Milde. Gott allein weiss, was es dich für einen Kampf gekostet hat, so sanft und milde zu werden, denn von Natur aus neigtest du zum Jähzorn. Aber du hast dich vom Heiligen Geist umwandeln lassen, von jenem Geist, der Jesus erfüllte. „Der Geist der Milde ist der wahre Geist Jesu", schriebst du einmal an eine Dame, deren Seelenführer du warst.

„Alles aus Liebe, nichts aus Zwang." war dein Leitspruch. Du warst tief davon überzeugt, dass nur der Geist der Güte, Sanftmut und Milde die Menschen verändern kann und dass sie nur auf diese Weise für die Wahrheit gewonnen werden können. Das sollte sich zeigen, als es dir gelang, über 70'000 zum Calvinismus übergetretene Katholiken wieder in den Schoss der Mutter Kirche zurückzuführen. Etwas ganz Neues und etwas, was ein besonderes Merkmal deiner Spiritualität werden sollte, aber war, dass du rietest, auch uns selbst gegenüber Milde walten zu lassen. Bedürfen wir selbst nicht auch der Nachsicht und Milde, der Geduld und Sanfmut? Brauchen wir selber nicht genau soviel Liebe und Verständnis wie unsere Nächsten? Ja, können wir unsere Mitmenschen überhaupt lieben, wenn wir uns selbst nicht lieben? „Das Ich ist hassenswert." So wird bald Blaise Pascal, der führende Jansenist sagen und mit seinem Irrtum grossen Schaden anrichten. Damit wärest du sicher nicht einverstanden gewesen. Hassenswert ist doch nur die Sünde, nicht der Sünder. Wurde ich denn nicht von Gott geschaffen, ja mehr noch: von Gott unendlich geliebt? Heiliger Franz von Sales, du bist wahrhaft ein Lehrmeister der Liebe, da du uns nicht nur die Gottes- und Nächstenliebe, sondern auch die wahre Selbstliebe lehrst. Erlange auch uns, dass wir uns vom Heiligen Geist, diesem Geist unendlicher Sanftheit und Milde erfüllen lassen, damit wir unseren Mitmenschen, aber auch uns selbst gegenüber gütiger, milder, geduldiger, verständnisvoller und nachsichtiger werden, auch uns selber gönnen, was uns gut tut, uns aufbaut, froh macht. Lesen wir doch in der Heiligen Schrift: „Wer sich selbst nichts gönnt, wem kann der Gutes tun? Er wird seinem eigenen Glück nicht begegnen. Keiner ist schlimmer daran als einer, der sich selbst nichts gönnt."(Jes Sir 14,5-6)

Diese Sanftmut aber gründet wie jede andere Tugend auf der Demut, d.h. dem Bewusstsein, dass wir alles empfangen haben, alles somit Gnade, d.h. Geschenk ist. Sie äussert sich auch darin, dass ich mich über keinen anderen Menschen erhebe, ihm böse bin, sondern mir sage, was einmal einer deiner grossen Schüler und geistlichen Söhne, der hl. Don Bosco, Gründer der Salesianer, antworten wird, als man ihm vorwarf, sich mit kriminellen Jugendlichen abzugeben: „Wenn ich an ihrer Stelle wäre, wäre ich vielleicht noch schlimmer als sie, und wenn sie an meiner Stelle wären, wären sie vielleicht besser als ich." Demut auch wenn wir etwas zu leiden haben: „Wir sollen in aller Demut am Kreuz hangen, wie unwürdig, etwas für Den leiden zu dürfen, der soviel für uns gelitten hat." Auf diesem Fundament der Demut bautest du wie einen herrlichen Dom dasjenige auf, was deine Spiritualität krönen sollte: nämlich das unerschütterliche Vertrauen auf Gott, an dessen grenzenlose Güte du mit allen Kräften deiner Seele glaubtest. Wahrlich, keiner, der auf Gott vertraut hat, ist je getäuscht worden. Darum lädst du uns ein, alle unsere Sorgen Gott zu übergeben, ja uns selber ihm vollkommen hinzugeben und nie zu vergessen: „Ein Kind, das in den Armen eines allmächtigen Vaters ruht, kann niemals verloren gehen."

So wurdest du zum wahren Verkünder der Frohen Frohbotschaft, der heute noch jedem Menschen die so unendlich ermutigenden Worte zuruft: „Hab' Freude im Herzen, denn Gott schaut auf dich in Liebe." Wenn du einmal Gottes Liebe nicht mehr siehst, weil die Welt zu schrecklich scheint, wenn du einmal Gottes Liebe nicht mehr siehst und es dunkel wird in dir… dann komm und schaue auf das Kreuz: Hier ist die Liebe! Kann es denn eine grössere Liebe geben, als an dem Kreuz zu sterben für dich? Drum komm und schaue auf das Kreuz: Hier ist die Liebe...

Liebe heilige Margareta-Maria Alacocque

Auf dem Weg nach Paray-le-Monial

Liebe heilige Margareta-Maria Alacocque,

Wir sind auf dem Weg nach Paray-le-Monial, einem alten Städtchen im Burgund. Niemand würde heute von diesem Ort sprechen, wenn du nicht eines Tages hier an die Pforte des Heimsuchungsklosters Sankt Marien geklopft und um Aufnahme gebeten hättest. Du konntest damals noch nicht ahnen, dass sich hier Dinge ereignen würden, die bis in die heutige Zeit ihren Einfluss ausüben, ja, in Zukunft sogar noch einen grösseren Einfluss ausüben werden. Die Entdeckung, die du hier machen durftest, war grösser, bedeutungsvoller für die gesamte Menschheit als die Entdeckung Amerikas: Es war die grösste, bedeutungsvollste Entdeckung, die es überhaupt geben kann, und die sich in die Worte fassen lässt: GOTT HAT EIN HERZ. Dass Gott ein Herz hat, das hat Er uns allerdings schon lange vorher gezeigt, indem Er selber ein Mensch wurde. Jesus ist die Offenbarung der Liebe Gottes, die nicht mehr überboten oder überholt werden kann. Gottes Liebe ist wohltuend menschlich, hat Wärme, ist väterlich, mütterlich, geschwisterlich, freundschaftlich, bräutlich, hochzeitlich, sie ist mit einem Wort: herzlich. In unserer Landeshymne  haben wir zwei Worte, die wohl die schönsten sind, die wir von Gott überhaupt sagen können, wenn wir da singen: „Dich, du Menschenfreundlicher, Liebender." So hat uns Jesus Gott offenbart, das ist das wahre Bild von Gott. Um dieses wahre Bild zu erkennen, hat es allerdings lange gedauert, ja, wir sind immer noch daran, zu lernen und deine Liebe tiefer zu erfassen. Zu der Zeit, da du geboren wurdest, war dieses Bild ganz besonders schwer verdüstert durch die Irrlehre des Jansenismus: Obwohl von der Kirche verteilt, verbreitete er sich wie eine Epidemie über das religiöse Leben aus, setzte sich in den Seelen fest, so hartnäckig, dass er sogar heute noch nicht restlos überwunden ist. Es war die Zeit Ludwigs XIV, des sogenannten „grossen Königs", der die gesamte Macht des Staates in seiner Person vereinigt wissen wollte: „Der Staat, das bin ich!" lautete sein berühmtes, stolzes Wort. Er nannte sich „Sonnenkönig", um den alles kreisen sollte, war der unumschränkte Herrscher über seine Untertanen, einzig auf seine Ehre bedacht, grosszügig und wohltätig für seine Freunde, furchtbar für seine Feinde. Wehe, wer - und wäre es auch nur durch die geringste Unbedachtsamkeit gewesen -  in Ungnade fiel!

Was lag näher, als Gott sich nach dem Vorbild dieses höchsten Machthabers vorzustellen, nur noch unendlich höher, zumal dieser Machthaber seine Macht von Gottes Gnaden empfangen haben wollte! Das unheimliche, Angst einflössende Gottesbild des Jansenismus war gemacht: Gott als absoluter Herrscher, dem es nur um seine Ehre geht – nicht als bedingungslos liebender Vater, der nur das Glück seiner Kinder will. Sünde als Majestätsbeleidigung, nicht als Verstoss gegen unser eigenes Wohl, wie der hl. Thomas so grossartig gesagt hat. Ein beleidigter, zürnender, strafender Gott, der zur Wiederherstellung seiner Ehre Genugtuung fordert, und da dies für Menschen nicht möglich ist, seinen Zorn über seinem eigenen göttlichen Sohn entlädt – kein von den Menschen gepeinigter und gekreuzigter Heiland, mit dem und in dem der Vater selbst sich opferte, um uns die Grösse seiner Liebe zu zeigen. In eine solche Zeit bist du  hineingeboren, eine solch unheimliche Vorstellungswelt hat dich geprägt und macht es uns so schwer, deine Aufzeichnungen zu lesen, die du „mit furchtbarem Widerwillen", einzig als „Gehorsamsauftrag", ja mit dem Gefühl geschrieben hast, Gott wolle dich dafür strafen, dass du versucht hattest, von den Geschöpfen völlig vergessen zu werden. Du nennst dich selbst eine „elende und unwürdige Sklavin", sprichst von der „dem Sünder so entsetzlichen und erschreckenden Heiligkeit der Gerechtigkeit Gottes", vom „Gewicht ihrer gerechten Strenge",  vom „gerechten Zorn", vom „Bezahlen für die Sünder",  von „Abbitte", „Ehrenersatz". Jesus soll dir Vorwürfe gemacht, ja sogar Maria soll dich getadelt haben, weil du als Kind einmal den Rosenkranz statt wie gewohnt auf den blossen Knien, einmal sitzend gebetet hast. Hatten die alten Scholastiker nicht Recht, wenn sie sagten, dass alles, was wir empfangen, nach Art und Weise des Empfangenden erfolgt, also von ihm geprägt ist? Ich glaube, das zeigt sich gerade hier in eindrücklichster Weise. Umso erstaunlicher aber ist, wie du mit dieser von deiner Zeit geprägten so schreckhaften Gottesvorstellung zur Verkünderin seiner Liebe werden konntest. Dazu müssen wir dein Leben betrachten.

Du bist am 22. Juli 1647 in dem heute noch zugänglichen Schlossturm von Les Janots, in der Nähe von Paray-le-Monial geboren. Du warst das fünfte von sieben Kindern. Dein Vater war königlicher Richter und deine Mutter Tochter eines königlichen Notars. Dein Taufpate war ein Vetter deines Vaters, der Pfarrer im nahen Dorf Verosvres, zu dem dein Geburtsort (Lhautecour) gehörte. Taufpatin war Marguerite de Saint-Amour vom schönen Schloss Corcheval. Die fromme Dame durfte dich mit vier Jahren für einige Zeit zu sich nehmen. Da, in der heute noch im Schlosspark stehenden Kapelle, hattest du dich, auf Antrieb des Heiligen Geistes, schon als Fünfjährige zwischen der Erhebung der Hostie und der Erhebung des Kelches bei der heiligen Messe ganz Gott geweiht. Noch wagtest du nicht, dich an Jesus zu wenden, sondern betetest nur zu Maria. Du zähltest kaum acht Jahre, als dein Vater innerhalb von wenigen Tagen einer Brustkrankheit erlag. Deine Mutter, die noch ganz jung war, übernahm die Vormundschaft für ihre fünf noch lebenden Kinder, deren jüngstes vier Jahre alt war, und überliess die Verwaltung  und Nutzniessung ihres Besitzes ihrem Schwager und die Besorgung des Hauswesens  den drei Frauen, die schon hier wohnten: deiner Grossmutter väterlicherseits, deiner Tante väterlicherseits und deiner Grosstante väterlicherseits, während sie selbst sich damit begnügte, als Pensionärin in dem Haus zu wohnen, das sich die beiden Familien seit langer Zeit teilten. Eine schwere Zeit begann. „Wir hatten keinerlei Recht mehr im Haus und wagten nichts ohne Erlaubnis zu tun. Es war ein beständiger Krieg; alles wurde unter Verschluss gehalten, so dass ich oft nicht wusste, was ich anziehen sollte, um zur heiligen Messe zu gehen." schreibst du selbst. Es war ein Leben „in förmlicher Knechtschaft".

Ich sehe dich, wie du dich in einen Winkel des Gartens oder in den Stall oder an einen anderen verborgenen Ort flüchtetst, dich auf die Knie warfst und weinend dein Herz vor Gott öffnetest. „Ich wandte mich durch Maria an ihn, durch meine gute Mutter, auf die ich mein ganzes Vertrauen setzte...Manchmal brachten mir arme Leute aus dem Dorf mitleidsvoll ein wenig Milch oder Obst für den Abend. Wenn ich dann in die Wohnung zurückkehrte, tat ich es mit so grosser Furcht, mit solchem Zittern, als ob ich eine Verbrecherin wäre, die ihren Urteilsspruch erwartete; denn oft wagte ich nicht, bei Tisch ein Stück Brot zu nehmen." Maria hat dich, ihr Kind, nicht verlassen: sie kam dir zu Hilfe, indem sie dich zu Jesus führte.  „Von da an wandte ich meine ganze Liebe dem heiligsten Altarssakrament zu; dort allein suchte ich Freude und Trost. Doch ich wohnte in einem Dorf, das weit von der Kirche entfernt war, und ich konnte nicht dorthin gehen, ohne dass die drei Personen es mir gestatteten. Und es kam vor, dass die eine es erlaubte und die andere nicht." Aber die Liebe überwindet alle Hindernisse: Unweit von deinem Elterhaus lag ein Eichenwäldchen. Dort, wo ein grosser Granitblock emporragt, konntest du die Kirche von Verosvres sehen. Mit welch glühendem Verlangen mag deine Seele hinüber zum Tabernakel gegangen sein, und ich bin sicher, dass das göttliche Herz dir vom Tabernakel aus  die Grüsse deiner Liebe erwiderte. Doch nun kommt das Unerhörte: Statt diese Personen, die dir so viel Leides angetan hatten, zu  hassen,  hast du sie entschuldigt und das Böse mit Gutem vergolten. „Ich will diese Personen nicht tadeln und ich glaube nicht, dass sie etwas Böses taten..." O heilige, ja göttliche Reinheit des Herzens, die das Böse nicht einmal kennt! „Ich fühlte mich ständig gedrängt, diesen wahren Freunden meiner Seele allerhand Dienste zu erweisen, hatte ich mich doch gänzlich für sie geopfert; nichts machte mir grössere Freude, als ihnen Gutes zu tun und gut von ihnen zu sprechen." Das ist gelebtes Evangelium.

Hier atmet die Seele reine, erfrischende Höhenluft, hier weht der Geist der Bergpredigt,  der Geist Jesu, der Heilige Geist, die wahre Liebe. Wie ist so etwas menschenmöglich? Die Antwort auf diese Frage scheinst du mir selbst zu geben, obwohl viel später, nämlich als du zu beschreiben versuchst, wie es zur ersten Offenbarung des göttlichen Herzens kam. Du schreibst: „Als ich einmal vor dem Allerheiligsten betete...wurde ich ganz in seine göttliche Gegenwart eingetaucht..." und dann folgen diese bedeutsamen Worte: „Ich überliess mich diesem göttlichen Geist und übergab mein Herz der Macht seiner Liebe."  Ja, es war diese deine Hingabe an die Liebesmacht des Heiligen Geistes, welche dich eine solche Liebe leben liess. Doch was bewog dich, dein Herz dieser Liebesmacht so gänzlich auszuliefern? Die Antwort auf diese Frage muss wohl an jenem Ort gesucht werden, den du „einen Gnadenort für mich" nennst, bei den Haselsträuchern im Klostergarten, wo dir, wie du schreibst, der Herr dir „das Geheimnis seines heiligen Leidens und Sterbens erkennen" liess. „Doch das ist ein so unermesslicher Abgrund, das Geheimnis ist so gross, dass mir die Worte fehlen, darüber zu schreiben oder zu sprechen. Nur das kann ich sagen: Er gab mir eine so grosse Liebe zum Kreuz, dass ich keinen Augenblick mehr leben kann, ohne zu leiden..."  Der Anblick des gekreuzigten Heilandes, der freiwillig, aus reiner Liebe zu uns die bittersten Leiden und den qualvollsten Tod auf sich genommen hat, erfüllte deine kindliche Seele mit soviel Mitleid, dass in dir der unbändige Wunsch erwachte, durch aus Liebe getragenes Leiden dem aus Liebe leidenden Heiland gleichförmig, ja mit ihm eins zu werden. Das bedeutete, dass du jede Unbequemlichkeit, jede Verdemütigung, jedes Leid, jeden Schmerz mit innigster Liebe umfingst.

Aber ist das überhaupt noch Leiden? Bedeutet das nicht im Grunde die Überwindung des Leidens durch die Liebe?  Das scheint tatsächlich der Fall zu sein. „Ich kann nicht verstehen, wie man leiden kann, wenn man das heiligste Herz unseres Herrn Jesus Christus wirklich liebt, da es die bittersten Bitterkeiten in Süssigkeiten verwandelt."  Hl. Margareta, welch unerhörte Worte sprichst du da!  Und doch müssen wir sie dir glauben, du lügst uns nicht an. Du bist eine Heilige. Das hast du nicht in irgendeinem frommen Buch gelesen. Das hast du  selbst erfahren. Wenn wir es recht bedenken: Müsste uns, angesichts des bitteren Leidens unseres Heilandes, unser eigenes Leid nicht wie ein Nichts erscheinen, mehr noch: müsste es sich nicht in Süssigkeit, in Freude verwandeln, da wir etwas von Seinem Leiden mit Ihm teilen dürfen? Wenn aber selbst das Leiden sich in Süssigkeit, in Freude wandelt: was gibt es für eine solche Seele dann noch anderes als Freude?  Öffnest du uns hier nicht die Tür zum Paradies auf Erden? – So ist es. Es fehlt uns einfach an Liebe zu Jesus. Das Paradies auf Erden liegt hier. Wir haben noch zu wenig das Leiden Christi betrachtet, sind noch zu wenig von Liebe zu ihm entzündet, sind im Grunde noch nicht zu dem vorgedrungen, was uns schon fast zu geläufig geworden ist: zu dem, was dir an jenem 27. Dezember 1673, am Fest des Liebesjüngers Johannes, zu einem überwältigenden Erlebnis wurde: zur  inneren Erfahrung, dass Gott ein HERZ hat, ein Herz, das vor Liebe zu mir und zu allen Menschen brennt und „die Flammen dieses Feuers nicht mehr in sich verschliessen kann."

Deshalb müsse es sie durch dich ausbreiten, es müsse sich offenbaren, um die Menschen mit den kostbaren Schätzen zu bereichern, die es dir entdecke. Dann bat der Herr um dein Herz, versenkte es in die brennende Glut seines Herzens und gab es dir zurück mit den Worten: „Hier hast du, meine Vielgeliebte, ein kostbares Unterpfand meiner Liebe. Ich habe einen kleinen Funken ihrer heissesten Flammen in deine Brust eingeschlossen, der dir künftig als Herz dienen und dich bis zum letzten Augenblick deines Lebens verzehren soll."...Bisher hast du dich nur meine Sklavin genannt, doch nun verleihe ich dir den Namen der vielgeliebten Jüngerin meines Herzens."

Du warst mit Leib und Seele bereit, diese Offenbarung der leidenschaftlichen Liebe Gottes zu uns Menschen bekannt zu machen, doch sollte die Verehrung des göttlichen Herzens zunächst sogar in deinem eigenen Kloster auf Widerstand stossen. Man betrachtete dich als Phantastin, die Eigensinnig an ihren Trugbildern und Einbildungen festhielt, obwohl  der kluge und erfahrene Seelenführer, der heute heiliggesprochene Jesuit Claude la Colombière, dich unterstützte. Die erste Huldigung an das heiligste Herz geschah fünf Jahre vor deinem Tod. Es waren deine Novizinnen, die  zu deinem Namenstag ein Altärchen errichteten und eine Federzeichnung mit dem Bild eines Herzens daran hefteten. Du warst überglücklich. Doch keine deiner Mitschwestern nahm an der Feier teil. Stattdessen trug diese erste Herz-Jesu-Feier dir und ihnen viele Demütigungen, Widerspruch und Kränkungen ein. Man beschuldigte dich, eine neue Andacht einführen zu wollen. Die grösste Gegnerin war  eine ältere Schwester, die als „lebende Ordensregel" verehrt wurde. Das hinderte dich nicht, dich bei jeder Gelegenheit an sie zu wenden und eine grosse Hochachtung vor ihrer Tugend zu haben. Wie gross war deine Überraschung, als ein Jahr später, am Vortag, an dem das Herz-Jesu-Fest begangen werden sollte, gerade diese Schwester dich um ein kleines Herz-Jesu-Bildchen bat und sagte, sie möchte im Chor ein Altärchen errichten und die Schwestern zu dieser Andacht auffordern. So schwanden von einem Augenblick zum andern alle Schwierigkeiten, und du konntest nicht aufhören, Gott dafür zu preisen. Am 17. Oktober 1690 durftest du, 43 jährig, mit dem Namen „Jesus!" auf den Lippen, in die ewige Heimat eingehen. „Die Heilige von ‚Sainte-Marie’ ist gestorben!" ging es wie ein Lauffeuer durch die Bevölkerung des Städtchens. Doch deine Sendung, der Welt zu sagen, dass Gott ein Herz hat, das sie so leidenschaftlich und anteilnehmend liebt wie kein anderes, diese Sendung ging weiter und hat bis heute noch volle Aktualität. Du warst, wie alle Heiligen, deiner Zeit weit voraus. Was von Gott kommt, bleibt immer aktuell, ja ist das Einzige, was im wörtlichen Sinn ‚aktuell’ ist, nämlich ‚wirklich’, und nicht blosse Illusion. Was aber von Gott kommt, ist nur Liebe, Güte und Barmherzigkeit. Gott ist nicht „gut, aber gerecht." Auch seine Gerechtigkeit ist  Liebe: sie richtet nicht hin, sondern richtet auf, sie zahlt nicht heim, sondern führt heim. Und nicht obwohl Gott gerecht ist, ist er barmherzig, sondern weil er gerecht ist und unsere Schwachheit kennt. Alles, was von Gott kommt, ist Liebe, und zwar herzliche Liebe. Was aber brauchen die Menschen unserer, ja, jeder Zeit mehr als die Erfahrung herzlicher Liebe? Gott braucht mein Herz, unser Herz, um HEUTE die Menschen zu lieben Du konntest nicht verstehen, wie man noch leiden kann, wenn man das heiligste Herz Jesu wirklich liebt, dieses Herz, das uns so sehr liebte, dass es jede Mühe, jedes Leiden, ja den bittersten, qualvollsten Tod für nichts achtete.

Hl. Margareta, ich bitte dich, erlange uns die Gnade, jedes Mal, wenn uns ein Leiden trifft, nicht an uns, sondern sogleich an Jesus zu denken, und zwar an seine Liebe.  Lass uns  mit dir immer wieder jene Worte sprechen, die vielleicht das Schönste sind, was du gesagt hast: „Ich will im Herzen Jesu wohnen, sorglos wie ein Kind." 

Erkannt, gelobt und geliebt sei dieses Herz, jetzt und in Ewigkeit! Amen.

Hl. Bernadette

"Das Mädchen von Lourdes"

Auf dem Weg nach Nevers, wo der unversehrte Leib der hl. Bernadette in einem Glasschrein aufbewahrt wird: Liebe heilige Bernadette, mit grosser Freude kommen wir heute an den Ort, wo  du  nach 13 Jahren voller Prüfungen und Leiden deine Seele dem Schöpfer zurückgabst und wo dein Leib seitdem in unverwester Schönheit ruht. Wir kommen nicht als Neugierige, sondern als Pilger, d.h. als Menschen, die noch unterwegs sind zur ewigen Heimat, Ihr Heiligen seid uns dazu nicht nur sichere Führer, sondern auch mächtige Helfer.

Hl. Geist, öffne unsere Augen und unser Herz für das, was du uns durch die hl. Bernadette zeigen willst. Wir bitten dich darum durch Maria, deine Braut, der wir uns nach dem Vorbild der hl. Bernadette in kindlicher Liebe übergeben haben. Hl. Bernadette, du warst auserwählt, Maria, die über alles schöne Frau zu schauen und zu hören, ihre kleine Botschafterin zu werden. Ja, du warst klein, nicht nur äusserlich, sondern auch innerlich: demütig, einfach, arm, kindlich, von einer grossen Liebe zu Jesus und Maria erfüllt. Als sich dir in Maria der Himmel zuneigte, da was deine Familie die ärmste von Lourdes. Du selbst als das älteste von 9 Kindern konntest damals weder lesen noch schreiben, musstest schon jung als Verdingkind arbeiten. Von Kind auf warst du von schwächlicher Gesundheit. Ich sehe dich im Cachot, dem ehemaligen Gefängnis von Lourdes, in dessen feuchten Mauern deine Eltern und Geschwister einen Unterschlupf fanden. Ich sehe dich, wie du von Asthma gequält, am Fenster um Luft ringst… Nicht einmal genügend Luft hattest du. Es fehlte an allem – ausser dem einen Notwendigen: der Liebe zu Gott, während es vielen von uns an nichts fehlt, ausser eben diesem. „Ich konnte nur den Rosenkranz beten."

Wirst du später einmal bekennen. O heilige Armut! O Reichtum der Seele, hat doch ein einziges Ave mehr Wert als die ganze Welt. Erst mit 13 Jahren durftest du Jesus in der hl. Eucharistie empfangen, doch wie sehntest du dich nach Ihm! Demütig warst du, hast dich nach den Erscheinungen zurückgezogen, zuerst als „pauvresse", als Arme im Hospiz der Schwestern der Charité, wo du in Küche und Haus die niedrigsten Dienste getan hast. Dann zogst du dich in die endgültige Einsamkeit des Klosters zurück, wolltest nicht auffallen, verliessest alles, was dir noch lieb und teuer war: die Grotte, deine Familie, deine Heimat in den Pyrenäen. Oh, es ist dir nicht leicht gefallen, du bliebst stets ein natürliches Menschenkind. Du wusstest, ich werde sie in diesem Leben wohl nie mehr sehen, und kam einmal ein Brief, konntest du deine Tränen nicht zurückhalten. Statt Achtung und Bewunderung für die ehemalige Vertraute Mariens fandest du Härte und absichtliche Demütigung. Ich sehe dich im vollen Kapitelsaal,  wo jede der 92 Novizinnen ihren Einsatz  zugeteilt bekam. Ich sehe dich,  wie du als letzte  übrig bliebst und der  Bischof auf die Frage, was mit Schwester Marie-Bernhard geschehe von der Oberin die Antwort erhielst: Die ist zu nichts zu gebrauchen(„Elle est bonne à rien.") du warst nicht stolz, aber trotzdem nicht unempfindlich. Du hast dich ins Schwerste geschickt: in aller Demut nichts zu sein. Nd ich höre den Bischof dir sagen: Ich beauftrage Sie mit dem Gebet.(„Je vous donne l’emploi de la prière.") So erhöht Gott die Niedrigen, die Demütigen. Wahrhaftig, nie ist der Mensch grösser, als wenn er betet, d.h. wenn er mit dem Allerhöchsten spricht. Du bist noch nicht zwei Monate im Kloster, da musst du dich in die Krankenstation begeben, so sehr bist du durch all das Ungewohnte erschöpft. Dazu kommt noch das immerwährende Asthma, das die von klein auf zu schaffen gemacht hat. Als es dir etwas besser geht zeigst du dein heiteres Wesen, kannst lachen, Spass machen und singst Lieder aus deiner Heimat. Ja, es gibt keine traurigen Heiligen. Doch nach weiteren zwei Monaten befürchtet man das Schlimmste. Dein Atem geht kurz und du spuckst Blut. Der Arzt meint, du würdest die Nacht nicht mehr überstehen. Nur einen Wunsch hast du noch: du möchtest als echte Ordensschwester sterben. Dazu musst du die Profess ablegen. Der Bischof spricht die Gelübdeformel vor, du bist zu schwach dazu, nur das Amen sagst du. Die Generaloberin wartet schon am Fuss des Bettes, um dir die Augen zuzudrücken. Da beginnst du plötzlich zu sprechen:" Ich werde heute noch nicht sterben." Es war noch zu früh. 13 Jahre lang wirst du noch in Saint-Gildard beten, arbeiten und leiden. Als Hilfskrankenschwester machst du wiederum die niedrigsten Dienste: Blumenvasen mit frischem Wasser versorgen, Nachttöpfe leeren, die Toiletten putzen, später bekommst du daneben noch die Aufgabe einer Hilfssakristanin, welche die Kelchtücher zu waschen und zu bügeln und für die Ministrantenkleider zu sorgen hatte. Doch wegen deiner schwächlichen Gesundheit hängt dein Leben des öfteren „an einem seidenen Faden." Blutstürze und Rückfälle folgen sich. Das Asthma droht dich häufig zu ersticken. Dann bekommst du ein bösartiges Geschwulst am Knie und kannst nicht mehr aufstehen. Immer stärker werden deine Schmerzen.

Unaufhaltsam frisst die Knochentuberkulose an deinen Gliedern. Dazu kommen Anfechtungen. Zeiten tiefer seelischer Finsternis. Dann, am 16. April 1879, nach einer schmerzhaft durchstandenen Nacht, bittest du mit letzter  kraft, vom Krankenbett auf den bereitstehenden  Sessel getragen zu werden. „Lege mich wie ein Siegel auf dein Herz" spricht der Priester in einer ruhigen Minute  dir vor.  Da nimmst du das Kreuz und drückst es fest an deine Brust. Mutter Eleonore sagt: „Sie sind auf dem Kreuz." Da streckst du beide Arme zum Kreuz an der Wand hin und sagst die Worte: „Mein Jesus, oh, wie ich ihn liebe!" Gegen 15 Uhr 15 gibst du deine Seele dem Schöpfer zurück. Deine letzten Worte waren die Worte des Ave Maria: Mutter Gottes, bitte für mich arme Sünderin… Heilige Bernadette, ich bin wie erschlagen. Ich kann nicht verstehen, dass du so furchtbar leiden musstest. „Lasst euch nicht täuschen, wenn ich mich vor Schmerzen winde, ich bin glücklich zu leiden." Hast du einmal gesagt. „Ich bin glücklicher mit meinem Kruzifix auf meinem Schmerzenslager als eine Königin auf ihrem Thron." „Ich bin wie Er." Du wusstest, dass seit der Menschwerdung Gottes auch das Leben eine Heiligkeit, eine göttliche Würde erlangt hat, dass wir seitdem, wie der hl. Franz von Sales sagte, leiden müssten wie unwürdig etwas leiden zu dürfen für den, der aus Liebe zu uns so viel für uns gelitten hat. So hast du denn sogar im Leiden „eine Liebesbezeigung des göttlichen Bräutigams" gesehen, der dich so hinein nahm in den Liebesabgrund seines Erlöserherzens. Du wusstest, dass Gott bei denen, die ihn lieben, alles zum Guten führt, auch das Leiden. Aus dem festen Glauben, von Gott geliebt zu sein, nach soviel Leiden sagen zu dürfen: „Mein Jesus! Oh, wie liebe ich ihn!" – Überstrahlt das nicht alles vorangegangene Dunkel? Ist das nicht Osterlicht?

Lisieux, Hl. Thérèse und ihre Eltern

Hl. Pfarrer von Ars